Aktueller Kommentar von Dr. Koch 11.07.2025

ERHARD HEUTE


DER AKTUELLE KOMMENTAR VON ROLAND KOCH,

VORSITZENDER DER LUDWIG-ERHARD-STIFTUNG

 
 

 

 Wir brauchen Strom, der ohne Subventionen bezahlbar ist  

„Was wäre wenn“ ist kein guter Start in die historische Analyse. Stellen wir uns dennoch vor, wir hätten immer noch 17 Kernkraftwerke (wie im Jahr 2011) in Deutschland in Betrieb, dazu 30 bis 40 Gaskraftwerke mit CO2-Abscheidung und an den günstigen Stellen auf dem Land und auf der See große Windparks ergänzt von rund einer Million Balkonkraftwerke für den Haushaltsbedarf. Was wäre dann? Wir hätten eine zu hundert Prozent CO2-freie Stromproduktion, könnten Überproduktionen von Strom vermeiden und allmählich immer günstigere erneuerbare Energieformen insbesondere Wasserstoff – in die Energieversorgung bringen, um auch die CO2-Belastung durch Haushalte und Industrie zu ersetzen. Vor allem aber hätten wir einige hundert Milliarden gespart, unsere Strompreise wären in Europa wettbewerbsfähig ohne ein immer schneller drehendes Subventionskarussell. 

Deutscher Strom ist teuer und noch immer nicht CO 2-frei 

Die Deutschen – anders als alle anderen Industriestaaten der Welt, waren zunächst panisch, verfielen nach und nach in Angst vor dem Atomstrom und sind nun hysterisch aus Angst vor dem CO 2-Ausstoß. Wie trotzige Kinder haben uns „grüne“ Politiker aus mehreren Parteien auf einen ideologischen Pfad der vollständigen Versorgung mit regenerativer Energie geführt – ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Rücksicht auf Arbeitsplätze, ohne Rücksicht auf Steuergelder. 

Es ist wenige Sekunden vor zwölf oder schon danach, den Zug Richtung Wirtschaftsrückgang und Schuldenstaat zu stoppen. Genau das ist in diesen Tagen die Aufgabe der neuen Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Katherina Reiche. Sie muss die energiepolitische Herausforderung ordnungspolitisch angehen und den Strommarkt in die Balance zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit führen, muss die Blutungen schnell stoppen, neue Kraft entfesseln und das System wieder bezahlbar machen. Am 31. August 2025 werden wir das Ergebnis ihrer Eröffnungsbilanz sehen: das von ihr in Auftrag gegebene „Energiemonitoring“ des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) und BET Consulting. Dann beginnen spannende Monate, in denen man erkennen wird, ob wir die Kurve zu neuem Vertrauen und neuem Wachstum noch bekommen werden. Doch der Chor der bislang herrschenden Ideologen und Profiteure der einseitigen Energiepolitik stimmt sich schon ein und er wird laut, sehr laut werden. Zu nahe waren Menschen, wie der ehemalige Habeck-Staatssekretär Patrick Graichen, die Agora-Energiewende und die Deutsche Umwelthilfe ihrem wachstumskritischen Ziel. 

Strompreis ist wie der Brotpreis früherer Zeiten - existenziell 

Mit der Stromversorgung ist es wie mit dem Brot in vergangenen Jahrhunderten. Strom muss jederzeit verfügbar und zu einem erträglichen Preis vorhanden sein. Der jetzt in Auftrag gegebene „Monitoring-Bericht“ muss genau dazu Stellung nehmen. Er muss Antwort auf die Frage geben, ob der Schaden noch abzuwenden ist. Die Empörten werden jetzt fragen, was ich mit Schaden meine. Die Antwort ist einfach: Immer mehr installierte Leistung führte zu immer größeren Versorgungsrisiken. Die installierte Leistung aus konventionellen und erneuerbaren Quellen lag 2023 bei etwa 267 Gigawatt, während im Jahr 2005 die installierte Leistung aus beiden Quellen bei etwa 150 Gigawatt lag (unser historischer Spitzenbedarf liegt bei 90 Gigawatt). Auch wenn Wind nichts kostet, ist das Windrad teuer. Noch mehr aber kosten die Stromnetze, die jetzt von vielen oft ungünstigen Stellen den Strom transportieren müssen. Folgt man der Bundesnetzagentur, haben sich die erhobenen Netzentgelte von rund zwölf Milliarden Euro im Jahr 2005 bis 2023 auf rund 36 Milliarden Euro verdreifacht. Für das sogenannte Abriegeln in Zeiten zu großer Wind- und Stromproduktion zahlen wir im Jahr 2023 etwa 3,1 Milliarden Euro. Diese Kosten entstehen, obwohl der Strom nicht genutzt, sondern „verpufft“ wird. Doch das genügt nicht, hinzu kommen Ausgleichzahlungen für garantierte Strompreise nach dem früheren Erneuerbaren-Energie-Gesetz von im Jahr 2023 ungefähr 12 Milliarden Euro. Diese rund 50 Milliarden Euro sind Zusatzkosten einer mit Gewalt durchgesetzten Energiewende, die heute den Ausstoß der Schadstoffe wesentlich weniger begrenzt, als es technisch möglich wäre. Diese Zusatzkosten sind der Grund, dass ohne Subventionen nichts mehr geht. 

Die Subventionen sind ein hoher Preis für falsche Energiepolitik 

In diesen Tagen konzentriert sich die Diskussion schnell auf die Stromsteuer für Privathaushalte, eher unbeachtet bleiben die durch den Bundeshaushalt subventionierten Netzentgelte sowie die oben beschriebene „grüne Energie“. Auch der Gaspreis wird erheblich subventioniert. Jahrzehntelang wurde weder die Stromproduktion noch die Stromverteilung subventioniert und mit Zwangsabschaltungen musste auch niemand rechnen. Heute nennen wir Zwangsabschaltungen wegen unzureichender Versorgung im Übrigen „agiles Lastmanagement“. 

Aus Starthilfen wurden Dauersubventionen 

Selbstverständlich wäre es in Ordnung gewesen, für die ersten installierten Windräder Baukostenzuschüsse zu zahlen und die Netzinfrastruktur für Pilotprojekte zu unterstützen. Aber Joschka Fischer war es 2000 ein Anliegen, mit großzügigen Subventionsgeschenken – insbesondere bei den Bauern – für 20 Jahre hohe Gewinne zu garantieren. Aber auch Strom ist ein normales Produkt, das von privaten Anbietern zu vernünftigen Preisen ohne staatliche Zuschüsse angeboten wurde – und in Zukunft wieder angeboten werden muss. Der Rückweg wird Jahre dauern und viele Diskussionen auslösen, aber genau dort muss der Zielpunkt für Katherina Reiches neue Strategie verortet sein.  

Neu planen und ohne ideologische Scheuklappen Kosten senken 

Die neue Strategie braucht nüchterne Analyse. Die Atomkraftwerke kommen nicht wieder, Fusionskraftwerke sind frühestens in 20 Jahren – wenn überhaupt – in Betrieb. Die Versorgungssicherheit erfordert trotz der Kosten noch 30 bis 40 Gaskraftwerke. Diese müssen unter Anwendung beschleunigter Planungsverfahren möglichst an alten Kraftwerksstandorten sofort (!) gebaut werden. Der Ausbau der Stromnetze muss nach dem Bau der ersten Nord-Süd-Linien jetzt überprüft werden. Wenn die unrealistische Erwartung an den steigenden Strombedarf reduziert und die deutsche Selbstversorgungsquote auf das Normalmaß der Vergangenheit zurückgeführt wird, können die Netzausbaukosten ebenso reduziert werden wie die Anzahl der noch zu planenden riesigen Offshore-Windparks.  

Grund zur Hoffnung 

Dass es Grund zur Hoffnung gibt, zeigen die neuen Regeln für Wasserstoff. Auch hier ist die Bundesregierung bereits aktiv geworden. Bislang galt der doppelte Unsinn: Wasserstoff durfte nur aus erneuerbaren Energien gewonnen werden – und diese durften nicht bereits bestehen, sondern mussten zusätzlich geschaffen werden. So entsteht aber kein großer Markt in kurzer Zeit – zumal auch noch die Leitungen dafür fehlen. Wenn der Markt nun von solchen Auflagen befreit wird, kann Wasserstoff überhaupt erst produziert werden. Der grüne Anteil kann sich dann schrittweise in Richtung 100 Prozent entwickeln. Auch hier gilt: Am Ende zählt der Preis – und der muss über große Mengen ganz ohne Subventionen erreicht werden. 

Eine gute Energieversorgung verdient ihre Kosten 

Es muss wieder der Grundsatz gelten, dass Stromnetzbetreiber ausschließlich Strom kaufen, wenn sie ihn brauchen. Dafür müssen sie den Preis bezahlen, der zur Produktion nötig ist. Das gilt auch für finanziell attraktive Bedingungen für Reservekapazitäten. Der Wettbewerb um die billigste Möglichkeit, die Stromversorgung jederzeit zu garantieren, muss wieder im Mittelpunkt stehen. Auch Überkapazitäten bei Wind und Sonne sind sehr teuer und wir werden sie uns nicht auf Dauer leisten können. 

Gelingt es der Bundesregierung, diese Faktoren wieder zusammenzuführen, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass der Strom in Deutschland teurer sein muss als anderswo in Europa. Genau das muss der Maßstab sein. Dann entfallen die horrenden Steuersubventionen und die Industrie kann sich auf eine sichere und wettbewerbsfähige Stromversorgung verlassen.