Aktueller Kommentar von Roland Koch 15.11.2024
Der Wähler entscheidet – Es ist Zeit für eine klare und demokratische Antwort
Am 23.Februar 2025 wird der neue Bundestag gewählt. Drei Monate bleiben uns noch bis zur Wahl. Eine lange Zeit, die jedoch schneller vergehen wird, als man denkt. Diese Neuwahl findet früher statt als ursprünglich geplant. Wenn eine Regierungsperiode vorzeitig endet, ist das selten ein gutes Zeichen: Eine gescheiterte Regierung ist für uns Bürger enttäuschend. Aber das Dahinsiechen einer Regierung ohne Perspektive, ohne Impulse und ohne Einigkeit musste ein Ende haben.
Allerdings sind die Probleme damit nicht gelöst. Jetzt liegt es an uns Wählern, den künftigen Kurs zu bestimmen. Das bloße Schimpfen auf die Politiker hat ein Ende. Wir Bürger selbst sind jetzt an der Reihe. Dabei stellen sich zwei Herausforderungen: Zum einen geht es darum, dass bei diesen Wahlen fundamentale Unterschiede zu Abstimmung stehen, es also nicht egal ist, wie die Wahl ausgeht. Zum anderen müssen diejenigen, die für den freiheitlichen und marktwirtschaftlichen Weg werben, verständlich beschreiben, was dies bedeutet.
Starke Parteien – klare Politik
Für die Stabilität unserer Demokratie ist die erste Fragestellung von großer Bedeutung. Zu viele Menschen erwarten kaum noch etwas von Wahlen, da nach dem Wahlsonntag oft Kompromisse entstehen, die sie so nicht erwartet haben und schon gar nicht gewählt hätten. Das führt dazu, dass manche Bürger an unserem demokratischen System zweifeln – ein Zweifel, der dann den Parteien in die Hände spielt, die weniger zur Verfassung stehen. Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahren verschärft. Ein Beispiel ist die AfD, die aus wahrscheinlich gut gemeinten, aber skeptischen Positionen zum Euro unter der Führung renommierter Wissenschaftler hervorging, sich aber mittlerweile zu einer vom Verfassungsschutz überwachten, rechtsextremen Partei entwickelt hat. Wenn jemand wie Björn Höcke von „autochthonen Deutschen“ fabuliert, wird eine Grenze überschritten, die gerade wir Deutschen niemals überschreiten dürfen.
Zweifellos hat sich das politische Koordinatensystem in Deutschland verschoben. Die Mehrheit ist nicht mehr „links“. Ob man das Wagenknecht-Bündnis für eher sozialistisch oder eher nationalistisch hält, spielt dabei keine Rolle. Aber die Wahl solcher Parteien versperrt Mehrheiten für Schwarz-Gelb oder Rot-Grün. Ich habe manchen Steuerberater, Arzt, Facharbeiter und Rentner kennengelernt, die Ludwig Erhard verehren, aber in letzter Zeit radikale Parteien gewählt haben. Diese Stimmen verhindern, dass sich in Deutschland eine Mehrheit für die Politik der Sozialen Marktwirtschaft bildet. Stattdessen sind dann komplizierte Bündnisse mit schwierigsten Kompromissen nötig, die oft nur noch formal wirken und Frust bei den Wählern auslösen. Wer radikale Parteien wählt, verliert letztlich Einfluss und erreicht am Ende mit Garantie nicht die Ziele, die er oder sie sich bei der Wahl erhofft hat. Kann es im anstehenden Wahlkampf gelingen, diese Erkenntnis stärker ins öffentliche Bewusstsein zu bringen?
Die wichtigsten Ziele
Die zweite Herausforderung, nämlich konkret und verständlich zu beschreiben, was die Wähler bei einer Entscheidung zu Gunsten der Sozialen Marktwirtschaft erwarten können, muss ebenfalls bewältigt werden. Dazu sind in den letzten Tagen einige Thesen veröffentlicht worden. Das sogenannte „Scheidungspapier“ von Christian Lindner ist bestimmt kein schlechter Aufschlag. Es handelt bei vielen Gesetzen vom „Nicht-Handeln“. Carsten Linnemann als Programm-Macher der CDU nennt das „einfach mal machen lassen“. Der langjährige Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber hat schon vor Jahrzehnten gefordert, „dass es der wichtigste Beitrag der Politik sein kann, den Menschen bei der Arbeit nicht im Wege zu stehen“. Ein solches Angebot, um aus dem Regulierungsinfarkt herauszukommen, bei dem man sich vor lauter Gesetzen und Verordnungen im Wirtschaftsleben nicht mehr bewegen kann, könnte eine wichtige Orientierung für die Wähler sein.
Die zentrale Frage muss lauten: Mit welchem politischen Konzept kann Deutschland national und international wieder als attraktiver Standort wahrgenommen werden? Nach Jahren ohne umfassende Steuerreform ist Deutschland für Unternehmen heute ein Hochsteuerland. Das muss sich ändern. Auch das Arbeitsrecht muss flexibler werden, um sowohl den Interessen von Arbeitnehmern als auch von Betrieben gerecht zu werden. Eine berechenbare und CO2-arme Energieversorgung ist ebenfalls essenziell – die Preise müssen bezahlbar und verlässlich sein. Die Transformation in eine klimaneutrale Gesellschaft muss über einen sozial fairen CO2-Preis kommen und nicht über gängelnde Regulierungen. Nicht zuletzt muss es in Gebieten mit Wohnungsnot durch weniger Vorschriften leichter und kostengünstiger werden, neuen Wohnraum zu schaffen. Das ist keineswegs alles, aber wenn hier Bewegung aufkommt, stimmt die Richtung.
Der richtige Kompass zählt
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unser Stiftungsgründer Ludwig Erhard in der heutigen komplexen Lage vermutlich nicht orientierungslos vor den auch für ihn neuen Herausforderungen gestanden hätte, wie wir es mit der jetzt gescheiterten Regierung schmerzhaft erlebt haben. Er hätte sich auf die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft gestützt, um eine Balance zwischen ökologischer Verantwortung und wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit zu finden. Das bedeutet, die Kräfte des Marktes gezielt zu nutzen, um ökologische Herausforderungen zu meistern, und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Kosten und Lasten dieser Transformation gerecht verteilt werden. Sein Leitgedanke „Wohlstand für alle“ hätte auch noch heute im Mittelpunkt gestanden.
Erhards Wirtschaftspolitik beruhte auf der Überzeugung, dass eine freie Marktwirtschaft die besten Voraussetzungen für Wohlstand und Wachstum bietet. Für ihn war die Marktwirtschaft jedoch kein Selbstzweck: Sie musste so gestaltet sein, dass sie soziale Gerechtigkeit und Wohlstand für alle ermöglicht. Ludwig Erhard glaubte an die Menschen, ihre Ideen, ihren Mut, ihre Leistungskraft und den unbedingten Willen zum eigenen Erfolg. Dieses Denken könnte auch heute noch der Kompass für eine zukunftsfähige Politik sein.