Dr. Koch 23.05.2025

Rente – Vertagung ist keine Lösung 

Es gibt eine gefährliche Parallele zwischen den Veränderungen unseres Klimas und dem Anstieg des Altersdurchschnitts unserer Gesellschaft. Beide Entwicklungen erfordern Korrekturen, die sich im eigenen Geldbeutel auswirken. Wir werden vom monatlichen Einkommen weniger für all die wünschenswerten Dinge ausgeben können, wenn wir die historischen Herausforderungen bewältigen wollen.  

In einer marktwirtschaftlichen Ordnung sollte es bei solchen Prozessen weniger auf staatliche Bevormundung und nachträgliche Umverteilung als auf wahrhaftige Preise ankommen. Lange Zeit war Umweltverschmutzung kostenlos. Vor etwa 50 Jahren begannen dann Abwasserabgaben und technische Anleitungen wie die TA Luft, Regeln zu setzen – so wurden die Preise für Umweltbelastung ehrlicher. Bei Wohnen und Verkehr wurden korrekte CO2-Preise immer wieder aus Angst vor Wählerstimmen verdrängt, jetzt werden solche Preise hoffentlich 2027 mit dem europäischen Emissionshandel kommen. Aber auch da werden wir wieder einen Härtetest für die Politik erleben, wenn die Tonne CO2 richtigerweise mehr als 100 Euro kostet, was an der Tanksäule und bei der Wohngeldabrechnung spürbar werden wird. Dennoch: Nur wenn wir die Prinzipien der Marktwirtschaft beachten, haben wir die Chance, mit weniger Gängelei schneller zum Ziel zu kommen. 

Neue Koalition, neue Rentenkommission 

Bei der Alterung unserer Gesellschaft handelt es sich ebenfalls um eine schleichende Entwicklung, die im täglichen Leben kaum bemerkbar ist. Daher verdrängen wir die Probleme noch konsequent und sind deshalb von den Lösungen auch weiter entfernt als beim Klimaschutz. Schaut man in den aktuellen Koalitionsvertrag, so beschreibt der den parteipolitischen Stillstand in einer rhetorischen Quadratur des Kreises. Es heißt: „Wir werden die Alterssicherung für alle Generationen auf verlässliche Füße stellen. Deshalb werden wir das Rentenniveau bei 48 Prozent gesetzlich bis zum Jahr 2031 absichern. Die Mehrausgaben, die sich daraus ergeben, gleichen wir mit Steuermitteln aus. Am Nachhaltigkeitsfaktor halten wir grundsätzlich fest. In einer Rentenkommission werden wir bis zur Mitte der Legislatur eine neue Kenngröße für ein Gesamtversorgungsniveau über alle drei Rentensäulen prüfen.“ 

Die einfache Übersetzung lautet: Wir versprechen weiter 48 Prozent Rentenniveau, obwohl es nicht durch Beiträge allein finanzierbar ist; aktuell und weiterhin belasten wir damit den Staatshaushalt. Da dies aber jede Dimension sprengen wird, berufen wir eine Kommission. Ob das ausreicht, ist zweifelhaft, denn neben Verteidigungsfähigkeit und Innovationsfähigkeit ist die Sicherung der Altersversorgung die dritte Herkulesaufgabe für unser Land. 

Die „Zeitbombe“ tickt 

Lange wird es bis zur Detonation der demografischen Zeitbombe nicht mehr dauern. Bis 2036 überschreiten 16,5 Millionen der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge die Altersschwelle. Das hat empfindliche Folgen – für den Arbeitsmarkt genauso wie für die Rentenversicherung. Kamen im Jahr 2022 auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter nur knapp 30 Menschen über 67 Jahren, werden es nach Berechnungen der Wirtschaftsforschungsinstitute im Jahr 2040 etwa 41 sein. Mit 1,3 Millionen Menschen im Alter von 64 Jahren sind wir seit 2024 gerade beim Start des Renteneintritts der Babyboomer-Generation. Würde man der Entwicklung freien Lauf lassen, steht der Beitrag zur Rente im Jahr 2040 bei 28 Prozent. Aber auch die jetzige Fluchtroute der Koalition in den Staatshaushalt wird nicht lange funktionieren, denn es geht ja keineswegs nur um die Rente, auch die Krankenkassen und die Pflegekassen brauchen immer mehr Steuergeld. 

Die wichtigste inhaltliche Entscheidung im Koalitionsvertrag ist die Begrenzung der sogenannten Haltelinie auf 2031, im vorherigen Koalitionsvertrag der Ampel stand da noch 2039. Die nächste wichtige Entscheidung ist hoffentlich die Zusammensetzung einer mutigen Rentenkommission ohne parteipolitische Scheuklappen. Ihr Auftrag: auf Basis der unabweisbaren Fakten einen Weg zu finden, der das nicht verhandelbare Ziel einer stabilen Rente am besten in der Mitte der demokratischen Gesellschaft mehrheitsfähig macht. Es geht um die Form der Zumutungen, ihre zeitliche Dimension und den Ausgleich für Härten.  

Ohne Mut zu Zumutungen geht nichts 

Bei einem solchen Auftrag werden die Experten die bekannten „Zumutungen“ kombinieren müssen. Länger arbeiten, und zwar in der Woche, im Jahr und im Leben, ist unvermeidbar. Gleichzeitig muss der Rentenanstieg bei der gesetzlichen Rente an die Belastungsgrenzen der jüngeren Generation gebunden werden. Das hat nichts mit Rentenkürzungen zu tun, wie manche ideologisch fixierten Diskutanten immer wieder sagen. Im Gegenteil, auch mit einem demografischen Faktor gibt es Rentenerhöhungen, aber eben in geringerem Umfang, möglicherweise nur noch zum Ausgleich der Kaufkraft. 

Neben dem Vorziehen der Neuregelung auf das Jahr 2031 ist der zweite wichtige Ansatzpunkt im Koalitionsvertrag die Erwähnung der „drei Säulen“ der Alterssicherung: Dazu gehört neben der gesetzlichen die betriebliche Altersversorgung – die jede Förderung verdient – sowie unbedingt die private Altersvorsorge. Auch hier muss eine ideologische Fixierung beseitigt werden. Die Riester-Rente als privates Modell scheiterte am Garantieversprechen. Jede Garantie für eine bestimmte Rente bei einer am privaten Kapitalmarkt erzielten Rendite ist der Tod der guten Geschäfte. Nach allen Berechnungen kann der Arbeitnehmer ein Mehrfaches seines jährlichen Rentenanspruchs als Rendite aus seinem privaten Fonds entnehmen. Die jetzt für alle jungen Menschen im Alter von sechs bis 18 Jahren vorgeschlagenen zehn Euro pro Monat zur Anlage in einem individuellen, kapitalgedeckten und privatwirtschaftlich organisierten Altersvorsorgedepot sind ein guter Anfang. So lernt die kommende Generation, die Chancen und Risiken eigenverantwortlich zu bewältigen; und ein Startkapital ist es auch.  

Keine neuen Fluchtversuche 

Auch diese Debatte zur Alterssicherung wird nicht frei von Fluchtversuchen sein. Die designierte SPD-Parteivorsitzende Bärbel Bas hat schon einen Vorgeschmack dafür gegeben. Das vermeintliche Allheilmittel der Einbeziehung der Selbständigen und der Beamten lässt zwar alle Gleichmacher- und Antikapitalismus-Fans jubeln, ist aber in der Sache nicht mehr als eine Nebelkerze. Am Anfang wird es einige zusätzliche Einnahmen geben, am dicken Ende macht es die Probleme nur noch schlimmer, denn die individuellen Ansprüche der Pensionäre und Selbstständigen bleiben ja gleich. Eine solche Lösung wäre eine erneute Verschiebung der Lösung in der Hoffnung, dass die Wähler den Trick nicht merken wollen.  

Der Druck der Jungen wir gebraucht 

Im Vergleich zu den Herausforderungen der Klimakrise ist die junge Generation hier sehr ruhig. Kein „Fridays for Future“, kein Greenpeace. Das ist sehr schade, denn die Jungen tragen das schwere Risiko. Die neue Rentenkommission muss den Druck der jüngeren Staatsbürger spüren. Die Benachteiligung der Jungen darf nicht die bequemere Lösung werden.